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Kanalisation Berlin
Abwasserkanal BerlinBuch digitalisiert von der Bayerischen Staatsbibliothek: Virchow, Rudolf : Ueber die Kanalisation von Berlin.
Der Ausbau der Kanalisation Berlin - Pressestelle - FU Berlin
In Berlin hat es vor mehr als einem halben Jahrtausend in den Wolken gestunken. Der Kloaken schwimmen zusammen mit dem Niederschlagswasser durch die Gossen der Innenstadt und sorgen neben dem bösen Geruch für verhängnisvolle Hygienebedingungen. Denn erst durch den Rückgriff auf Hygiene-Experten wie den berliner Arzt Rudolf Virchow oder den Architekt James Hobrecht wurde ein Abwassersystem eingeführt, das zu einer deutlichen Besserung der Hygienebedingungen und zu einer Senkung der Todes- und Krankheitsquote gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts geführt hat.
Mit der systematischen EinfÃ? des Abwassersystems wurde - Ã?hnlich wie bei der Entwicklung der Dampflok - eine neue Generation geschaffen: Die verantwortliche Politik gab ein drittel des Budgets der Stadt fÃ?r dieses vielversprechende Plan aus. Im Spätmittelalter war die Reise nach Berlin kein Genuss. Jahrhundert über Berlin, zu dem der Abscheu noch immer in der Schrift zu lesen ist: "Auf dem Platz des Marktes und der Kirche stapelten sich Müll und andere Unruhen auf so großen Halden, dass es oft schwierig war, durch diese Felder zu gehen.
Die Hygienesituation in Berlin hat sich bis zur Hälfte des neunzehnten Jahrhundert kaum verändert. Die Einwanderung aus den Provinzen in die Großstadt machte die Hygienesituation der Menschen jedoch drastisch. Die Arbeitssuchenden in einem der neuen Industrieunternehmen zogen in die Landeshauptstadt, so dass die Berliner 1871 nur knapp unter einer Millionen Menschen lebten.
Das Bevölkerungswachstum und die Wohnungsdichte erforderten jedoch bald die Einrichtung einer Zentralwasserversorgung. Die Straßenränder und Gehsteige waren bis zu einem m breit und einen m tief, durch die häusliches und gewerbliches Schmutz- und Niederschlagswasser aus der Innenstadt abfließen konnte. Kleiner werdende Rinnen, die mit Brettern bedeckt und über die Gehwege geführt wurden, leiten das Haushaltsabwasser ab.
Das Niederschlagswasser strömte von den Hausdächern über die Gehwege in die Rinnen, was in den kalten Monaten eine erhebliche Gefährdung für Fussgänger war. Nur wenige Berlins haben sich an ein 1842 ausgesprochenes Gesetz gehalten. Um dem lästigen Abstreifen der Boxen in der Nacht zu entgehen, haben viele Bewohner des Hauses versucht, entweder die Nachtmülltonnen in die Rinnen zu entleeren oder den Abfall in die Spree zu werfen.
Während starker Regenfälle wurden die Strassen mit Abwässern aus den Rinnen überflutet und ein Fäulnisgeruch verbreitete sich in der ganzen Innenstadt. Zudem waren Boden und Grundwasser kontaminiert, da die Rinnen und Gässchen schlecht befestigt waren und das Wasser leicht austreten konnte. So ist es in jeder Hinsicht ein verantwortungsloser und äußerst schädigender Mißbrauch, daß die Nachttonnen in die Spree geschüttet werden, die nicht nur einen ebenso unangenehmen Duft in der Nähe des Flußes ausbreitet, sondern über einen großen Teil der Großstadt.... Hier sammelt sie sich (der Unrath) und füllt die Lüfte mit gesundheitsschädlichen Dämpfen, die viel zur Verbreitung diverser Krankheitserreger beizutragen haben.
"Doch unsauberes Wasser begünstigt den Beginn von Epidemien wie Cholera und Typhus, schloss der bekannte Arzt und Gesellschaftspolitiker Rudolf Virchow, der seit 1856 das neue Pathologieinstitut an der Charité in Berlin geleitet hatte. Der 1821 in der pommerschen Region gebürtige Jungfrau machte sich schon bald einen guten Ruf als Gesundheitspolitikerin: 1848 wurde er von der Bundesregierung beauftragt, die Gründe für die Typhus-Epidemie in Obschlesien zu untersuchen und forderte "volle und unbeschränkte Demokratie", ohne die es keine langfristige öffentliche Gesundheit gibt.
Im Jahre 1852 hatte er den Gesundheitszustand der Slumbevölkerung im Spessart untersucht. Seit 1859 engagiert sich das Unternehmen als Angehöriger der Stadt Berlin für den Aufbau von Kliniken und die Erfassung von Patientendaten. Eine Gegenüberstellung der Perioden vor und nach 1860 verdeutlicht einen klaren Zuwachs an Todesfällen durch Infektionen als Ursache des Todes und stärkt Virchows Ruf nach einer institutionalisierten städtischen Hygiene in Berlin: "In jedem dieser beiden Fällen geht es um vermeidbare Zustände, also um öffentliche Versorgungsaufgaben", schreibt Rudolf Virchow 1873. Eine durch die Einleitung einer Kanalisation verbesserter Trinkwasserversorgung muss sich auch auf die Anzahl der Cholera- und Typhus-Infektionen ausdehnen.
Die Pathologin nutzte zum Beispiel die Ortschaft Croydon, wo bereits ein Abwassersystem errichtet worden war. Die Fieberquote ist nach dem Aufbau der Kanalisation von 7,5 auf 3,1 Prozentpunkte gesunken. Es datiert aus dem Jahr 1928 und weist einen deutlichen Bezug zwischen der Zahl der Typhus-Todesfälle und dem Kanalisationsgrad in Berlin auf.
Nicht nur die Kanalisation in Berlin hat die geringere Sterblichkeitsrate zur Folge. Zugleich begann ein neuer Sinn für Hygiene in der Welt. Im Jahre 1860/61 überreichte Salomon Wiebe dem Bezirksstaatsanwalt von Berlin einen maßgeblichen Plan für die Kanalisationsplanung. Die Inhalte von WC´s sowie das im Haus anfallende Abwasser sollen über dieses Leitsystem weit unter der Straße aus der Innenstadt geführt werden.
Wir hofften, das neue Kanalsystem bei entsprechendem Aufwand mit öffentlichen Wasserläufen durchzuspülen. In einem großen Container, der unter dem natürlichen Niveau der Spree liegt, sollten die riesigen Mengen Wasser - sie enthalten auch das Niederschlagswasser - aufgefangen werden. Mithilfe eines Pumpwerks sollten die Massen angehoben und dann über einen weiten Auslaufkanal unterhalb von Charlottenburg - das damals noch nicht zu Berlin zählte - in die Spree abgeleitet werden.
Zuerst waren die Menschen in Berlin gegen das Vorhaben. Schliesslich lehnten die Verantwortlichen in Berlin auch den Wiebes-Plan ab und gaben dem Bauinspektor James Friedrich in Auftrag, auf einem speziell für die Bewässerung angemieteten Areal Freilandversuche durchzuführen. Damit schaffte er einen großen Durchbruch: 1869 berief der Bezirksrichter von Berlin den Bauherrn zum Oberingenieur der Kanalisation, eine Arbeit, die er 28 Jahre lang leitete.
Ungefragt stellte er zwei Jahre später ein "Gesamtprojekt zur Kanalisierung Berlins" vor. Der Gedanke der Mischkanalisierung wurde auch von ihm übernommen, was vor allem im Zusammenhang mit der zunehmenden Siedlungsdichte denkbar war. Hobrechts Vorhaben wich jedoch in einem wesentlichen Aspekt von der Planung für den Bau von Howbes ab: Der Bauausschuss lehnte die Umleitung des Abwassers außerhalb der Spree ab.
Vielmehr verlangte er, ein Abwassersystem zu schaffen, um das Abwasser der Gemeinde aufzunehmen. Mit dieser Methode soll das Abwasser nach der mechanisch groben Reinigung über Druckleitungen unmittelbar auf die Äcker geleitet werden. In seinem Bericht schlägt er auch die Installation mehrerer autonomer Kanalisationsnetze, der so genannter radialer Systeme, vor. Auch die Kosteneinsparungen durch autarke Kanalisationsnetze sprachen für den Bau von Häusern.
1873 gründete die Landeshauptstadt Berlin nach langem politischem Streit eine Bauprovision unter der Leitung von Jungfrau Maria und Josef Hirsch. Noch im selben Jahr wurde mit dem Aufbau des Radialsystem III nach Hobrechts Plänen begonnen, und die Städte Berlin kauften die Grundstücke Osdorf und Friedrichshof. In wenigen Jahren schaffte die Baubranche eine Hygienerevolution, die sich mit anderen technologischen Neuerungen jener Zeit wie der Entwicklung der Lokomotive messen kann, da sie das Menschenleben langfristig veränderte: Bereits 1881 war die ganze Stadtmitte Berlins mit fast 10000 Anschlüssen durchzogen.
Aufgrund des großen Erfolges wurde die Kanalisation in die Vorstädte Berlins verlegt. Bis zur Gründung des Großraums Berlin 1920 waren rund 32.000 Objekte an ein Kanalsystem mit einer Länge von 1.167 Kilometer angebunden. Bereits 1887 wurde von " Mephist Dunst " gesprochen. Die Errichtung der Abwasserkanalisation in Berlin mit den zugehörigen Pumpstationen und Kläranlagen war ein finanzielles Meisterstück.
Er hatte seinen Plan exakt berechnet. Allein der Erwerb von Bauten und Grundstücken kostete bis 1890 rund 68 Mio. DM. Für eine bessere Einschätzung der Skala wird ein Abgleich des städtischen Investmentvolumens für Berlin mit der Einkommensseite empfohlen. Um eine bessere Übersichtlichkeit der Werte zu gewährleisten, sind die in Marks umgewandelten Werte in runden Klammern dargestellt.
Das Budget der Berliner Staatskasse von 1871 zeigt ein Steueraufkommen von rund 4,6 Mio. t (13,71 Mio. DM), 1872 betrug das geschätzte Aufkommen rund 5,1 Mio. t (15,31 Mio. DM). Das Steueraufkommen der Gemeinde verdeutlicht die Größe des Abwassersystems von Hobrecht: Zwischen 1873 und 1890 (Kernzeit des Kanalbaus) entstanden einmalige Aufwendungen in der Größenordnung von 87,2 MDM.
Unter der Annahme eines stetigen Investitionsflusses und ohne Berücksichtigung der Teuerung ergibt sich eine Jahresinvestitionssumme von rund 4,8 Mio. DM. Zugleich war der Aufbau der Kanalisation eine staatliche Investition in die Infrastruktur und damit, so der Ökonom John Keynes, eine umfangreiche Finanzpolitik mit positiver Beschäftigungswirkung.
Das wirkte sich weltweit aus: Nahezu alle großen Großstädte Deutschlands nutzten das Abwassersystem von Berlin, das auch in Moskau, Kairo, Alexandria und Tokio einführte.